Gerne hätte man es verdrängt, vergessen gar, aber leider warf die wegen starker Winde verunmöglichte Verbrennung des Bööggs einen langen meteorologischen Schatten, der sich bis zur diesjährigen Weinprobe hinzog.
Obwohl, für Schatten bräuchte es ja Sonnenschein. Und der zeigte sich bekanntermassen nur selten. Nicht ungelegen kam also, dass sich die Höngger Delegation am Vorabend des zweiten Böögg-Verbrenn-Versuchs im Appenzell gemeinsam mit der weiteren (wachsenden) Zunftfamilie im Rahmen der Weinprobe nochmals sammeln konnte.
Die Teilnehmerschaft traf sich, notabene bei Regen, traditionell in der glücklicherweise gedeckten Weinlaube in Höngg zum Apéro. Unterstützt durch treffende Illustrationen verlas der Stubi, Beni Scherer, die zehn Gebote für den weiteren Verlauf des Abends, bevor er zum gemeinsamen Singen des Höngger Wahlspruchs ‘Wir bauen die Reben …’ einlud.
Nie trifft dieser doch besser zu als am ‘Hausanlass’ der Höngger Zunft, wird doch an diesem Abend hochoffiziell auch der zukünftige Zunftwein geprüft, gewürdigt und (wie bisher immer) abgenommen.
Mit «nah, aber unbekannt» stellte der Zunftmeister Walter Zweifel die diesjährige Weinregion im Fokus vor: Deutschland. Gekonnt führte Micha Zweifel, gestärkt von einem Studiensemester im Rheingau, durch die önologischen Teile des Abends. Er hatte die Weinauswahl mit viel Fingerspitzengefühl vorbereitet. Micha führt damit die lange Zweifel-Familientradition weiter in die nächste Generation, worüber sich die Zunft äusserst glücklich schätzen darf.
Er brachte neben den klassischen auch neue Degustationsformulierungen («riecht nach nassen Steinen», «schmeckt nach Bratenkruste») und Qualitätsmerkmale («Man hat ihn in der Schweiz bekommen») ins Spiel. Micha fand die ideale Balance zwischen Fachwissen, persönlichen Erfahrungen vor Ort und Humor, was zu einem äusserst kurzweiligen Abend beitrug.
Wie jeder zünftige Anlass lebt auch die Weinprobe von den Reden und Repliken zwischen Zunftmeister und Ehrengästen. Eingeladen waren die Zünfte Oberstrass mit Zunftmeister Dr. Martin Burger und Zunftschreiber Dr. Patrick Bischoff, und Witikon mit den Pendants Dr. Beat Ehrensberger und Dr. Michael Amrein. Man ist sich nicht nur topographisch nah.
Die Obersträssler beziehen ihren Zunftwein direkt bei Zweifel und wissen auch um die Alltagsqualitäten des Rebensafts („Wein ist nicht die Antwort, aber hilft zu vergessen, was die Frage war“). Der Witiker Zunftmeister Beat Ehrensberger wiederum hegt augenzwinkernd durchaus gewisse Sympathien für den Riesling („lebt in ständiger Selbstüberschätzung“), stösst aber nach dem Blindtest zwischen seinem Zunftwein und einem Qualitätsbier gerne auch mit letzterem an.
Sozusagen als Überraschungsgast wurde auch noch Lucius Blattner, Zunftmeister der Göttizunft Widder, willkommen geheissen. Er durfte die am Sechseläuten vom Sprecher abgegebene und von den Hönggern restaurierte Zunftlaterne mit Höngger Wappen feierlich in Empfang nehmen.
Fehlt noch das Hauptelement des Abends: die Abnahme des Höngger Zunftweins. Dass unsere Zunft diesen dank der Weinbaugrupppe in Eigenarbeit von der Rebe in die Flasche bringt, darauf dürfen wir sehr stolz sein.
Statthalter Christoph Zürcher zerlegte den Zunftwein verbal in seine einzelnen chemischen Bestandteile und konnte nach kurzer Konsultation des Gefahrenblatts zu den Ingredienzen nicht nur Entwarnung geben sondern den Zunftwein auch zur Abnahme vorschlagen. Diese erfolgte durch den Statthalter, was gleichzeitig auch eine Würdigung der grossartigen Arbeit der Weinbaugruppe ist.
Mit dem wohl kürzesten Schlusswort der Zunftgeschichte entliess der Höngger Statthalter die Teilnehmenden dann in den Abend, mit frohem Gemüt und Vorfreude auf den Ausflug ins Appenzell. Dort sollten sich Wetter und Böögg ein letztes Mal gegen das Drehbuch aufbäumen. Wie sich später zeigte, kam er aber dann doch noch, der Zürcher Sommer.
Text: Marcel Aisslinger
Bilder: Silvan Oberli