Weinprobe 2021

Erstmalig und hoffentlich einmalig

Die Weinprobe 2021 der Zunft Höngg wurde am Freitagabend, 18. Juni, mit 88 Teilnehmenden wegen dem Coronavirus simultan an zwei Standorten durchgeführt. Vorgestellt und geprüft wurden Weine aus dem Fricktal. Der Zunftwein vom Klingen mit Jahrgang 2019 wurde in einem diskutablen Verfahren abgenommen. Bei den Ehrengästen der Quartierzünfte zur Letzi und Schwamendingen trat Trennendes und Verbindendes zu Tage.

Mit der traditionellen Weinprobe trotzt die Zunft Höngg erfolgreich dem Coronavirus. Im letzten Jahr blieb die Veranstaltung der einzige grössere Anlass, der durchgeführt werden konnte. Allerdings musste damals auf Grund der Reisebeschränkungen ein Teil der Präsentationen digital übertragen werden – genauer gesagt aus London. So sandten die Höngger schon damals mit der wohl ersten international-hybriden Weinprobe ein Lebenszeichen für das Zürcher Zunftwesen, das seit zwei Jahren ohne das Sächseläuten auskommen muss.

Aus der Region für die Region

Einen innovativen Ansatz liess sich die Vorsteherschaft jüngst auch für die Ausgabe 2021 einfallen, die dank der gelockerten Coronamassnahmen zwar durchgeführt werden konnte, allerdings mit einer Teilnehmerbeschränkung auf 50 Personen. Deshalb wurde die Veranstaltung erstmals simultan an zwei Standorten durchgeführt. Einerseits im wiederauferstandenen Zunftlokal in der Mühlehalde, wo das Team des Restaurants 13/80 unmittelbar vor der offiziellen Wiedereröffnung mit der Bewirtung der Höngger Zünfter gewissermassen die Feuertaufe zu bestehen hatte, und andererseits im Fasskeller der Firma Zweifel 1898.

Mit der Live-Übertragung der Ansprachen, dem Standortwechsel des Zunftmeisters zur Pause, dem gleichen Menü und den gleichen Weinen zum Probieren war schon programmatisch für Gleichbehandlung gesorgt. Diese wurde auch inhaltlich sichergestellt, indem das Winzerehepaar Andrea und Gerhard Wunderlin-Bachmann – er Winzermeister und sie Önologin – ihre Fricktaler Weinschöpfungen getrennt an beiden Standorten erläuterten. Genau 88 Anwesende, inklusive Gäste, Zunftanwärter, Zunftgesellen und Fanfaren kamen so in den Genuss edler Tropfen, begleitet von interessanten Erläuterungen.

So erfuhr man etwa vom laufenden Trend hin zu resistenten Sorten und dass die Aargauer 90 Prozent ihrer Weine, die von 600 Winzern auf 400 Hektaren aus 80 Traubensorten gekeltert werden, gleich selber konsumieren. Die historisch und geografisch reichhaltigen Erläuterungen trösteten zusammen mit der vorzüglichen festen und flüssigen Kulinarik darüber hinweg, dass es bei einer nächsten Parallelveranstaltung in Bezug auf die technische Infrastruktur Steigerungspotenzial geben würde.

Zudem erforderte das Corona-Risikokonzept weiteren Tribut, indem beispielsweise der gemeinsam gesungene Wahlspruch zu Beginn der zünftigen Zusammenkunft nur mit aufgesetzter Maske vorgetragen werden durfte. Insofern hofft man auf eine weitere Verbesserung der Pandemielage, so dass die nächste Weinprobe im normalen Rahmen durchgeführt werden kann und die simultane Ausgabe 2021 nicht nur erstmalig, sondern eben auch einmalig bleiben kann.

Trennendes und Verbindendes

Sowieso einmalig bleibt der Höngger Zunftwein mit Jahrgang 2019, der im Fasskeller vom Statthalter Thomas R. Schönbächler in einem formell zumindest diskutablen Verfahren abgenommen wurde. Eigentlich müsste die Abnahme durch eine unabhängige Instanz erfolgen, doch der Statthalter ist selbst Mitglied der seit über 30 Jahren aktiven Rebbaugruppe. Zudem degustierte und bewertete er den Wein ohne Firlefanz gleich selber („frisch und süffig in wunderbarer Balance“).

Der dafür eigentlich zuständige Vertreter der Rebbaugruppe, Swiss-Linienpilot Andres Homs, entzog sich dieser Aufgabe elegant unter Hinweis auf seinen durch Kerosindämpfe beeinträchtigten Geruchs- und Geschmacksinn und die damit fehlende önologische Urteilsfähigkeit. Immerhin schilderte er anschaulich die Rebbau-Arbeiten zur Gewinnung der 351 Kilogramm Trauben mit 100 Oechlsegraden im witterungstechnisch abwechslungsreichen 2019.

Wie beim Wein blieb die Zunft Höngg bei den Ehrengästen in der Region beziehungsweise quartiernah. Geladen waren die Quartierzünfte zur Letzi sowie Schwamendingen. Bei der Begrüssung des Zunftmeisters zur Letzi, Stefan Forster, wies der Höngger Amtskollege Walter Zweifel darauf hin, dass es trotz der geografischen Nähe erstaunlich wenige historisch dokumentierte Bezüge zwischen Höngg und den benachbarten Quartieren Albisrieden und Altstätten gebe.

Vermutlich weil es die Europabrücke als leistungsfähige Verbindung erst seit Anfang der 60er Jahre gebe und die Gebiete zuvor durch die Limmat und deren Sumpfgebiete getrennt waren. Der 2020 ins Amt gewählte Zunftmeister zur Letzi musste sich dabei „quasi Stillstand“ vorhalten lassen, da er in seiner neuen Funktion noch kein Sächsilüüte mitmachen konnte, was dieser in seiner Replik mit einer gesunden Portion Selbstironie keineswegs in Abrede stellte.

Selbstironisch und humorvoll gab sich auch der zweite Ehrengast des Abends, Pascal Pauli, Zunftmeister der Zunft Schwamendingen, der dank seiner Partnerin auch über familiäre Beziehungen in die Höngger Zunft verfügt. Er betonte denn auch verbindende Elemente zwischen den beiden Quartierzünften. Unter anderem erinnerte er an das im 19. Jahrhundert in der ganzen Schweiz populäre Sempacherlied. Dieses stammt aus der Feder des zeitweise in Schwamendingen als Lehrer tätigen Dichters Heinrich Bosshard und wurde vom Höngger Dirigenten und Musikpädagogen Johan Ulrich Wehrli komponiert, an den in Höngg der Wehrlisteig erinnert.


Michael Stäheli (Text)

Markus Spaliner (Fotos)