Weinprobe 2017

Weine aus dem Tessin

Mit der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels im letzten Sommer ist nicht nur die Sonnenstube Tessin näher an die Rest-Schweiz gerückt, sondern damit auch die reiche Vielfalt an Tessiner Weiss- und Rot-Weinen, welche bis anhin nördlich der Alpen häufig nur schnöde als «Tessiner Merlot» abgekanzelt worden waren.

1902 hatte der Kanton Tessin einen Wanderlehrstuhl für Landwirtschaft eingerichtet; der italienische Agronom und Pharmakologe Alderige Fantuzzi (*1872 Emilia Romagna / +1957 Mendrisio) erhielt dabei den Auftrag, den Tessiner Weinanbau zu analysieren und Massnahmen zur Verbesserung der Weinherstellung einzuleiten. Er untersuchte die angebauten Rebsorten – insbesondere Merlot, Pinot Noir und Cabernet etc. – , aber erst die 1904-1905 aus Bordeaux importierten Merlot-Stöcke überzeugten ihn. Er prophezeite ihnen eine grosse Zukunft – und sollte Recht behalten damit.

Erst in den 50er-Jahren etablierte sich der Merlot als typischer Tessiner Wein. Ab ca. 1970-bis 1980 experimentierten dann erstmals experimentierfreudige Deutschschweizer Hobbywinzer und einige umsichtige Tessiner Weinbauern mit Qualitätskriterien wie beschränkter Anbaumenge, selektivem Einsatz von Klonen und innovativen Weinbaumethoden und –techniken. Und mittlerweile wird der Tessiner Weinanbau dominiert von qualitativ hochstehendem Merlot (Tessin und Misox: ca. 3.6 mio Reben / weit über 80%), der meist als im Barrique ausgebauter Rotwein, aber zunehmend auch als „Blanc de Noir“ angeboten wird. Träger des Tessiner Weinbaus sind über 4000 Kleinwinzer mit Kleinstflächen im Sopraceneri nördlich des Monte Ceneri und einige Winzer mit Gross-Rebflächen im Sottoceneri.

Der Referent: Feliciano Gialdi (Gialdi Vini SA, Mendrisio) mit seiner Lebenspartnerin Marlies Kreuzpainter (Co-Referentin / Terreni alla Maggia)

Durch die Weinprobe führte humorvoll, redegewaltig und selbstbewusst Feliciano Gialdi, welcher die von seinem Vater 1953 gegründete Weinhandelsfirma Gialdi Vini SA, Mendrisio, übernommen hatte und 1984 mit dem Erwerb eines ersten Weinbetriebs in der unteren Leventina einer der ersten Vorkämpfer eines qualitativ höchststehenden Merlot wurde. Die breite Palette an Gialdi-Produkten besteht heute vor allem aus Weinen des Sopraceneri; die Trauben werden von gut dreihundert Winzern der unteren Leventina, der Riviera und des Bleniotals angekauft, welche seit Generationen mit Liebe und Leidenschaft Weinbau betreiben.

Wie an allen Weinproben der Zunft Höngg der Brauch, wurden die verschiedenen Weine in ein darauf abgestimmtes, erneut von Candrian Catering komponiertes Tessiner Menu eingebettet, so dass sich jeder wieder einmal selbst davon überzeugen konnte, wie unterschiedlich sich doch jeder Wein in der Nase und im Gaumen entfaltet, je nachdem, ob für sich allein oder während des Essens zum entsprechenden Gang genossen.

Höngger Zunftwein 2017

Auch dieses Jahr stammt der Wein, welchen die Zunft an ihren kommenden Hauptanlässen bis Sechseläuten 2018 geniessen wird, aus dem zunfteigenen, von der Rebbaugruppe der Zunft im Rebberg Klingen kultivierten Rebbestand von gut 250 Weinstöcken. Rebbaugruppen-Mitglied Jean-Pierre Grossmann stellte dem Höngger Zunftmeister Daniel Fontolliet gekonnt den zunfteigenen Klingener Clevner des Jahrgangs 2015 als neuen Zunftwein vor: Eben erst auf die Flasche gezogen und noch etwas herb im Bouquet, aber mit guten Anlagen für einen feinen Tropfen, der dem Zünfter im aktuellen und nächsten Zunftjahr sehr gut munden wird. Und der direkte Vergleich mit je einem Merlot Biasca Premium 2014 und einem Merlot Arzo 2013 zeigte klar, dass er sehr wohl mit den beiden Tessinern mithalten kann.

Zunftmeisterliche Rededuelle

Der Höngger Zunftmeister Daniel Fontolliet mit seinen zünftigen Weinprobe-Ehrengästen (v.l.n.r.): Statthalter Kurt Schiesser und Zunftmeister Georg Steiger (Zunft zum Widder) und Zunftmeister Philippe Oswald Welti und Stubenmeister Urs Zeller (Zunft zur Waag); Walter Zweifel (Höngger Statthalter und Gastgeber)

Es sei Tradition, so Zunftmeister Daniel Fontolliet, dass neu gewählte Zunftmeister ans Höngger Rechenmahl eingeladen würden. Nicht so in diesem Jahr: Der Zunftmeister der Höngger Götti-Zunft zum Widder, Georg Steiger, begleitet von Statthalter Kurt Schiesser, habe seit 2014 darauf warten müssen. Und der seit Jugendjahren mit Höngg sehr eng verbundene Waag-Zunftmeister Philippe Oswald Welti in Begleitung von Stubenmeister Urs Zeller habe immerhin auch zwei Jahre warten müssen, bis es soweit war.

Gekonnt, witzig und gewürzt mit vielen Geschichten und Anekdoten stellte er im Anschluss an die Weinprobe und das Nachtessen seine Ehrengäste vor, und diese konterten nicht weniger witzig und prägnant: Ein Reigen von Reden und Gegenreden, immer wieder unterbrochen von Gelächter und dem Applaus der Weinprobe-Festgesellschaft.
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Ueli Friedländer (Text)
Ueli Friedländer (Text)
Markus Spalinger (Fotos)
Markus Spalinger (Fotos)