Es ist davon auszugehen, dass das heurige Sechseläuten 2011 Erwartungen geweckt hat, welche rein aus Gründen der Wahrscheinlichkeit gar nicht erfüllt werden können: Kaiserwetter mit strahlend-sonnigen 22 Grad, ein Böögg, welcher nach nur 10 Min. 56 Sek. unter Getöse das Zeitliche segnet, Tausende, welche kostümiert oder unkostümiert ausgelassen bis tief in die Nacht hinein einen Frühlingsanfang feiern, der eigentlich bereits seit Wochen Wirklichkeit ist – alles eindeutige Anzeichen für einen perfekten Sommer. Nur notorische Pessimisten würden angesichts dieser klaren Anzeichen den Verdacht zu äussern wagen, dass sich (natürlich nur rein hypothetisch!) auch Orakel gelegentlich irren könnten.
Nicht ganz so sonnig lief es anfänglich für Daniel Fontolliet, den neuen Höngger Zunftmeister, mit seinen Ehrengästen: Zu Beginn um 10:30 Uhr vorderhand noch grosser Abwesender war Bundesrat Johann N. Schneider-Ammann, Vorsteher des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements EVD, welcher wegen dringender Amtsgeschäfte erst im Verlauf des Mittagessens dazu stossen sollte und daher in den ersten zwei Stunden nur als lebensgrosse Fotografie Präsenz markierte.
Krankheitshalber ebenfalls vertreten lassen musste sich Dr. Urs Lehmann, Präsident Swiss Ski; an seiner Stelle konnte Zunftmeister Fontolliet den Abfahrtsweltmeister 1997 und Lauberhorn-Sieger 2003 Bruno Kernen begrüssen. Anwesend ohne „wenn“ und „aber“ war somit einzig lic. iur. Werner Rufi, Landrat FDP des diesjährigen Gastkantons Baselland, welcher dann auch bis in die frühen Morgenstunden kräftig mitfeiern sollte.
Sechseläutenbetrachtungen
In seinen Sechseläutenbetrachtungen forderte Zunftmeister Fontolliet auf, trotz unseres Glücks, in einer grandiosen Natur, in politischer Stabilität und wirtschaftlicher Prosperität leben zu können, das grosse Leid in der übrigen Welt – Tsunamis und Fukushima-GAU in Japan, die jüngsten Ereignisse in Nordafrika und im mittleren Osten zwischen unblutigem Aufstand in Tunesien und Ägypten bis hin zum Bürgerkrieg in Libyen – nicht aus den Augen zu verlieren.
Gratulationen zum Amtsantritt
Gem. altem Zürcher Zunftbrauch pflegen bei Wechseln im Meisteramt Kinderdelegationen aus anderen Zünften dem neuen Zunftmeister zur Wahl zu gratulieren und ihm alles Gute, viel Spass und Befriedigung sowie unzählige rhetorische Meisterleistungen in seinem neuen Amt zu wünschen. Und so begleiten auch den neuen Höngger Zunftmeister die besten Wünsche in sein neues Amt, charmant, pfiffig und keck vorgetragen von Zunftjugend-Delegationen der Zünfte zur Waag, Hard, Widder und St. Niklaus sowie abends von Witikon und Letzi; die Stadtzunft wartete abends gar mit einem veritablen Saubannerzug auf.
Würdigung der Ehrengäste
Nachdem gegen 12 Uhr endlich der echte Bundesrat eingetroffen und am Ehrentisch nahe bei seinem „Karton-Stellvertreter“ Platz genommen hatte, war der Zeitpunkt gekommen, an dem Zunftmeister Fontolliet der Festgesellschaft seine Ehrengäste näher bringen konnte.
Zu Beginn seiner Vorstellung von Johann Schneider-Ammann pries er die Zunft Höngg als traditionelle Königsmacherin: 1991 war Pascal Couchepin, damaliger Stadtpräsident von Martigny VS, geladen – er wurde später Bundesrat! Im selben Jahr war auch Ueli Maurer als Zürcher Kantonsratspräsident zu Gast – Bundesrat später auch er! Im Frühjahr 2010 hat der damalige Präsident der Ammann Group und Swissmem-Präsident Schneider-Ammann als Nationalrat die Einladung nach Höngg angenommen: Seine Wahl zum Bundesrat am 22. September 2010 war damit nur noch Formsache!
Den heurigen Gastkanton vertritt auf der Höngger Stube der Baselbieter FDP-Landrat Werner Rufi: Jurist und selbständiger Advokat mit eigener Anwaltskanzlei in Oberwil SG, steht er deren Bürgergemeinde seit 2000 als Präsident vor.
Bruno Kernen: 1972 geboren in Thun, stand der hoffnungsvolle Sprössling schon früh mit viel Talent und Erfolg – auf dem Rollhockeyfeld des RHC Wimmis. Dass in ihm auch noch andere Qualitäten schlummern, bewies er dann aber bald auf schmalen Brettern, welche eine andere Welt bedeuten. Bis zu seinem fatalen Sturz bei der Weltcupfinal-Abfahrt 2007 auf der Lenzerheide konnte er seinem Palmarès insbesondere die Titel des Abfahrtsweltmeisters 1997 und des Lauberhorn-Siegers 2003 hinzufügen.
Alle drei Ehrengäste konterten die pointierten Ausführungen des Zunftmeisters witzig und auf rhetorisch höchstem Niveau, was die Höngger Sechseläutengesellschaft mit viel Gelächter und Applaus honorierte.
Der Zug der Zünfte zum Böögg
Im Zug der Zünfte marschierte die Zunft Höngg an sechster Stelle durch die dichten Reihen von (rekordverdächtigen) über zehntausend begeisterten und fröhlichen Zuschauern und erreichte den Sechseläutenplatz bereits kurz nach 16 Uhr, so dass noch fast zwei Stunden für freundschaftliche Gespräche unter Zunftkameraden von Zunft zu Zunft blieb, bevor dem Böögg innert knapp 11 Minuten der Garaus gemacht wurde.
Auszug am Abend
Nach dem Nachtessen im «Au Premier» des Bahnhoffbuffets Zürich besuchte der Zunft-Auszug die Zunft Hard (Höngger Sprecher Christian Hurter), die Zunft zur Saffran (Michael Küttel) und die Zunft Hottingen (Michael Suter).
Gleichzeitig empfing der Höngger Zunftmeister auf der eigenen Stube die Auszugs-Harsts der Zünfte Riesbach, ZImmerleuten und Kämbel, welche ihn rhetorisch hervorragend zu den ersten Spontan-Repliken seiner noch jungen Meisterkarriere herausforderten. Daniel Fontolliet konterte witzig und gekonnt und zeigte – wie zuvor bereits in all seinen Reden – eine Souveränität und Routine, welche auch dem einen oder anderen bereits arrivierten Amtsbruder auf Zürichs Zünften wohl anstehen würde.
Text: Ueli Friedländer / Fotos: Michael Hilti, Markus Spalinger, Ueli Friedländer; Fredy Haffner („Höngger“)