Rechenmahl 2022

Verantwortung, Zuversicht und Solidarität

Eindrückliche Zahlen und interessante Bezüge zur Höngger Geschichte im Kontext der Zürcher, Schweizer und internationalen Grosswetterlage gab es am traditionellen Rechenmahl der Zunft Höngg zu vernehmen. Das reichhaltige Programm startete am 19. November 2022 mit knapp über 100 Teilnehmenden in der reformierten Kirche Höngg. Das Bauwerk geht auf das Jahr 870 und begrüsst somit seit 1152 Jahren vom sonnigen Rebberg herab die durch das Limmattal nach Zürich Reisenden.

In seiner Rede bezeichnete Zunftmeister Walter Zweifel das Höngger Wahrzeichen denn auch als Symbol der Stabilität und Heimat in Zeiten der verbreiteten Verunsicherung wegen des Kriegs in Europa, unsicherer Lieferketten oder des Klimawandels. Im Nachgang der Pandemie seien vor allem Menschen mit tiefen Einkommen von den steigenden Lebenshaltungskosten betroffen.

Den Optimismus nicht verlieren

Zweifel zog Parallelen zur Situation in den Jahren 1816 und 1817. Der Preis für Brot beispielsweise vervielfachte sich damals um mehr als das Dreifache. Vor allem in der Ostschweiz herrschte eine Hungersnot als Folge klimatischer Ereignisse, machtpolitischer Entwicklungen in Europa und einer fehlgeleiteten Wirtschaftspolitik, die zu äusseren Abhängigkeiten und einer landwirtschaftlichen Unterversorgung führte.

Wie damals, als die Zürcher Hilfsgesellschaft zehntausende Suppenportionen an die Bedürftigen verteilte, gelte es auch heute, solidarisch zu sein. In vielen Ländern seien vielschichtige Anstrengungen auf den Weg gebracht worden, um den heutigen Herausforderungen zu begegnen und unser Leben nachhaltiger zu gestalten.

Dazu gehöre z.B. in der Landwirtschaft die Rückbesinnung auf bewährte Methoden und Strukturen. Jedermann könne hier als Konsument einen konkreten Beitrag leisten. Seine Betrachtungen schloss der Zunftmeister mit den Worten von Martin Luther: «Selbst wenn ich wüsste, dass die Welt morgen in Stücke zerfällt, würde ich immer noch meinen Apfelbaum pflanzen.»

Damals, unter dem Joch der «Meisen»

Die zünftigen Ehrengäste am prächtigen Anlass waren die Zunft zur Meisen, vertreten durch deren Zunftmeister Prof. Dr. Gustav von Schulthess und Säckelmeister Patrick Hug, sowie die Zunft Wollishofen mit Zunftmeister Hansruedi Strasser und Zunftpfleger Thomas Burri. Als Gast aus Höngg geladen war die ESPAS Stiftung für wirtschaftliche und soziale Integration Erwerbsbeeinträchtigter, vertreten durch Beni Gsell, Bereichsleiter Dienstleistungen und Mitglied der Geschäftsleitung.

Die in gewohnter Rede und Gegenrede vorgebrachten Anekdoten der Zunftmeister brachten einiges Wissenswertes zutage. Bei der aufs Gründungsjahr 1336 zurückgehenden Zunft zur Meisen etwa reichen die Verbindungen Jahrhunderte zurück.  So mussten die Höngger Rebbauern ihren Wein den in der heutigen Meisen organisierten «Winlütten» liefern, und zwar zu den Konditionen des damals von ihnen kontrollierten stadtzürcher Weinhandelsmonopols.

Interessante Aspekte der täglichen Integrationsarbeit vermittelte Berni Gsell im Gespräch mit dem Höngger Statthalter Thomas Schönbächler. Seine Stiftung zählte als «Brückenbauer zwischen sozialen Realitäten» per Ende 2021 insgesamt 569 Beschäftigte, davon 472 mit angepassten Arbeitsplätzen oder in Eingliederungsmassnahmen.

Sechs Jubilare mit 320 Zunftjahren

Nicht zu kurz kamen im Zunftsaal des Restaurants Mühlehalde 13’80, wo die Rechenmahlgesellschaft kulinarisch verwöhnt wurde, die Ehrungen, Würdigungen und Aufnahmen, umrahmt vom Spiel der Zunftmusik, dem Musikverein Zürich-Höngg. Sechs Jubilare brachten es zusammen auf rekordverdächtige 320 Zunftjahre: Nämlich Urs Bodmer, Jürg Gysi, Jürg Kropf und Hugo Stadler auf je 50 sowie Karl Härtsch und Paul Zweifel auf je 60 Jahre.

Würdig gedachte man dem im vergangenen Zunftjahr verstorbenen Peter Mugglin, der 1969 in die Zunft aufgenommen worden war. Als Zünfter aufgenommen wurden Felix Hauri und Silvan Oberli, sowie als Zunftgeselle Robin Zweifel. Mit dem Becher für besondere Verdienste dankte Zunftmeister Zweifel im Verlauf des Abends dem abtretenden Chronisten Jost Beglinger, der die Chronik seit 2010 führte, und sich weiter in der Kulturkommission engagieren wird.

Aus der Vorsteherschaft verabschiedete der Zunftmeister gemeinsam mit seinem Statthalter ebenfalls mit grossem Dank nach zwölf Jahren als Zunftschreiber Bruno Dohner. Dieser hat seine Aufgaben dem 2021 in die Vorsteherschaft nachgerückten Christian Bohli übergeben und wird sich weiterhin um die Gratulationen an die Zunftsenioren kümmern. Dohner nutzte den Abschied auch, um Louis Egli als treuen Mitstreiter hinter den Kulissen zu danken: Dieser fertigt seit über 50 Jahren die Drucksachen der Zunft und war in dieser Zeit jedem Zunftschreiber eine wichtige Stütze.   


Michael Stäheli (Text)

Markus Spaliner (Fotos)