Rechenmahl 2006

Am 18. November feierte die Zunft Höngg im «Mülihalde»-Saal beim Rechenmahl ihre besinnlich-fröhliche Rückschau auf das vergangene Zunftjahr. Überpünktlich – nämlich bereits 10 Minuten vor dem offiziellen Beginn des Rechenmahls 2006 um 18.15 Uhr – konnte der Höngger Zunftmeister Hans Peter B. Stutz die zünftige Rechenmahlgesellschaft begrüssen. 114 Anwesende – 94 Zünfte, 4 Zunftgesellen, 5 Ehrengäste, 10 persönliche Gäste und 2 Fanfarenbläser aus den Reihen der Zunftmusik – hatten den Weg in den grossen «Mülihalde»-Saal gefunden, um sich traditionsgemäss gemeinsam auf das vergangene Zunftjahr zurückzubesinnen.

Der Höngger Zunftmeister Hans Peter Stutz mit seinem Ehrengast von der
Gesellschaft zur Constaffel, Constaffelherr Prof. Dr. med. Heinz O. Hirzel

Martini-Betrachtungen des Zunftmeisters

An den Anfang seiner diesjährigen Martini-Gedanken stellte er seine eigenen Wahrnehmungen beim täglichen Pendeln vom Arbeitsumfeld im Universitätsviertel nachhause nach Höngg. Anfänglicher Stolz, Begeisterung und Faszination über die multikulturelle Vielfalt an den Hochschulen und die im Stadtzentrum gelebte Internationalität weicht da bald einmal anderen Gefühlen: Bei der Heimfahrt mit dem «13er» durch die Limmatstrasse kommen unbewusst und diffus als bedrohlich wahrgenommene Ängste vor dem multikulturellen Nebeneinander hoch, und man empfindet sich in der eigenen Stadt als Fremder, Ausgegrenzter.

Warum aber fühlt man sich in der einen Umgebung aufgehoben und getragen von der kulturellen Vielfalt, in der anderen aber ausgeschlossen und isoliert? Er rief dazu auf, allen Anderen offen und mit Respekt vor deren Herkunft und deren kulturellen Wurzeln zu begegnen, sich aber im Dialog mit ihnen auch für eine kompromisslose Durchsetzung der geltenden Spielregeln zu engagieren. Nur so könnten sich selbstbewusste Gäste und selbstbewusste Gastgeber auf Augenhöhe begegnen und miteinander bei anstehenden Problemen eine allseits akzeptierte Lösung finden.

Würdigung der Ehrengäste

Im Verlauf des Abends – immer wieder unterbrochen vom nächsten Gang des von der «Desperado»-Crew hervorragend zubereiteten und speditiv servierten Martini-Menus – brachte der Zunftmeister seine Ehrengäste der Festgesellschaft in witziger Würdigung näher und provozierte diese zu pointierten Repliken:

Traditionsgemäss wird jeweils zum Rechenmahl ein Höngger Ortsverein eingeladen. 2006 war aus aktuellem Anlass des 125-Jahr-Jubiläums die Reihe bereits zum dritten Mal beim Musikverein Eintracht Höngg (MVEH), vertreten durch Präsident (und Mitzünfter) Christian Bohli zusammen mit Dirigent Bernhard Meier. 125 Jahre MVEH, davon 72 Jahre als Höngger Zunftmusik, eine wahrlich respektable Bilanz! Zunft und Zunftmusik verbinden somit eine lange Tradition und viele freundschaftliche Kontakte. Stutz würdigte Christian Bohli mit vielen Reminiszenzen aus dessen privaten, beruflichen, zünftigen und musikalischen Umfeld und lobte ihn als Verkörperung «in persona» des gegenseitigen Engagements und der über Jahre gewachsenen engen Freundschaft zwischen beiden Vereinen.

Ehrengast und Mitzünfter Christian Bohli, Präsident des Musikvereins Eintracht Höngg, flankiert von Beat Ostertag (l.) und Armin Hilti (r.)

Gekonnt, witzig und offensichtlich «zunftgestählt» bot Christian Bohli anschliessend dem Zunftmeister Paroli. Er überbrachte der Zunft als Präsent neben einer Einladung aller Zünfter zum MVEH-Familienanlass 2007 auf dem Hönggerberg einen neuen Fanfarenruf aus der Feder des MVEH-Dirigenten Bernhard Meier: den «Zunftmeistergruss», dargeboten von den beiden am Rechenmahl teilnehmenden Fanfarenbläsern. Die Zünfterschar freute sich sichtlich, dass damit der in der Vergangenheit immer wieder buchstäblich von Misstönen überschattete Einzug der «Gladiatoren» – des Zunftmeisters und seiner Ehrengäste – inskünftig einem Einmarsch in ungebrochener musikalischer Harmonie weichen wird.

Die nächste Würdigung des Zunftmeisters galt Dr. theol. h.c. Ruedi Reich, Präsident des Kirchenrats der evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich. Seine ersten Kontakte mit dem Ehrengast reichten gem. seinen Ausführungen über 20 Jahre zurück in die Zeit, als Stutz im Reich’schen Pfarrhaus in Marthalen nächtelang die dortige Fledermauskolonie studierte. Heute widmet sich Reich nicht mehr seinen lokalen Marthaler Schäfchen, sondern führt als Kirchenratspräsident die 400köpfige Pfarrerschaft des Kantons Zürich.

2005 erhielt er von der Universität Zürich in Anerkennung seines vielfältigen Wirkens als Kirchenratspräsident, seines Engagements für die Erneuerung der evangelisch-reformierten Landeskirche und des von ihm praktizierten Dialogs zwischen kirchlicher Praxis und wissenschaftlicher Theologie den Ehrendoktortitel, zu dem ihm der Höngger Zunftmeister im Nachhinein nochmals ganz herzlich gratulierte.Grussadresse des Kirchenratspräsidenten (Dr. theol. h.c. Ruedi Reich, Zunftmeister).

Hans Peter Stutz, Constaffelherr Prof. Dr. med. Heinz O. Hirzel (v.r.n.l.)

In seiner Replik forderte Reich alle Anwesenden auf, sich nicht auf Negatives zu
fokussieren, sondern mit allen Nachbarn ein fruchtbares Miteinander und Füreinander zu pflegen und einzustehen für Gerechtigkeit und Solidarität.

Als letzten seiner Ehrengäste brachte Hans Peter Stutz der Festgesellschaft schliesslich Prof. Dr. med. Heinz O. Hirzel, Constaffelherr der Gesellschaft zur Constaffel, näher: Der renommierte Herzchirurg, Gründer des Herzzentrums an der Klinik Hirslanden, ist mittlerweile pensioniert und kann sich ganz seinen Hobbys widmen, und was stünde da anderes an vorderer Stelle als seine Liebe zu «seiner» Gesellschaft zur Constaffel. Der Begleiter des Constaffelherrn, Stubenmeister Dr. Christian Hintermann, hat im Gegensatz zu dem in Turgi AG aufgewachsenen Hirzel vernünftige Wurzeln: Grossvater Walter und Vater Thomas waren beide als Lehrer in Höngg tätig und haben hier Generationen von aufrechten Hönggern geprägt.

Seinen Dank für die Einladung im Anschluss an die Laudatio des Höngger Zunftmeisters formulierte H. O. Hirzel in wohlgesetzten und launigen Reimen und erntete damit wohlverdienten Applaus.

Ehrungen verstorbener Zünfter

Auch dieses Jahr musste die Rechenmahlgesellschaft wieder Abschied nehmen von lieben Zunftkameraden: Dr. iur. Hermann Aisslinger (geb.1921, Zünfter seit 1959), Ralph Kündig (geb. 1940, Zünfter seit 1996), Dr. phil. Armin Schwarzenbach (geb.1920, Zünfter seit 1949), Markus Vonrufs (geb. 1969, Zünfter seit 2001) und Gottlieb Wolfensberger (geb.1916, Zünfter seit 1950). Wie bereits im Vorjahr brachten Mitzünfter aus dem persönlichen Freundeskreis die Verstorbenen ihren Zunftkameraden in bewegenden Worten nochmals nahe, worauf sich alle Anwesenden für eine Schweigeminute von ihren Plätzen erhoben, um sich still und in persönlichem Angedenken von ihnen zu verabschieden.
Nach dem Zunftumgang im Licht der Zünfterlaternen und der traditionellen Mehlsuppe endete das Rechenmahl 2006 wie üblich deutlich nach Mitternacht.

Ueli Friedländer