Abriss der Geschichte
Zünfte hatten in Zürich, im Gegensatz zu vielen anderen Städten, während Jahrhunderten nicht nur gewerbliche, soziale und gesellige Aufgaben, sondern auch politische Funktionen. Jeder Zunftmeister gehörte von 1336 bis 1798 dem kleinen Rat an, und auch noch im 19. Jahrhundert waren die Zünfte zeitweise Wahlkreise für das Parlament in Stadt und Kanton.
Angesichts dieser Bedeutung der Zünfte verwundert es nicht, dass in acht der elf Gemeinden, die 1893 mit der Stadt Zürich vereinigt wurden, zwischen 1887 und 1925 neue Zünfte entstanden, sogenannte Quartierzünfte, im Gegensatz zu den historischen Handwerkerzünften verbunden durch gemeinsamen Wohnort, nicht durch ähnliche Berufe.
Diese Erscheinung setzte sich bei der zweiten Eingemeindung von 1934 fort. In den vier Glattal-Gemeinden (Oerlikon, Schwamendimgen, Seebach und Affoltern) wurde schon am 22. Dezember 1933 die «Zunft St.Niklaus» gegründet. Höngg folgte nach Neujahr 1934, Altstetten und Albisrieden wenige Monate später (am 2. Juni 1934 «Zunft zur Letzi») und schliesslich 1975 Schwamendingen (als Abspaltung von «St. Niklaus» nach Trennung der Stadtkreise 11 und 12) und 1980 Witikon als bisher letzte Zürcher Zunft.
Gründung
Walter Frei-Appenzeller, 1872–1945, der spätere erste Zunftmeister 1934 bis 1945, lud auf den 30. Dezember 1933 zu einer orientierenden Versammlung in das damalige Restaurant Kempfhof ein (Haus 1956 abgebrochen, stand etwa an der Stelle der heutigen Liegenschaft Limmattalstrasse 50). Er erklärte Sinn und Zweck einer Zunft und liess sich zusammen mit sechs anderen Männern in eine vorbereitende Kommission wählen. Schon am 22. Januar 1934 konnte in der «Mühlihalde» die Gründung erfolgen: Genehmigung der Satzungen, Wahl einer Vorsteherschaft von zunächst acht Männern, seit 1936 stets neun. Zu den 47 Gründern (in der Literatur erscheinen nur 39 Namen) zählten auch die zwei letzten Gemeindepräsidenten und der letzte Gemeindeammann von Höngg, womit eine Art «Kontinuität» angedeutet wird:
- Jakob Baumgartner, 1885–1948, Geometer (Grundbuchvermessung Höngg 1912 bis 1919), 1922 Gemeinderat, ab Frühling 1933 Präsident.
- Hermann Gwalter, 1887–1950, Dipl. El.Ing., 1922 Gemeinderat, 1923 bis Frühling 1933 Präsident, dann Bezirksrat; erster Präsident der Radiogenossenschaft Zürich mit Sender auf dem Hönggerberg (1924 bis 1931); in der Zunft 1934 bis 1945 Statthalter, 1945 bis 1948 Zunftmeister.
- Werner Schwarzenbach, 1880–1955, Landwirt im Riedhof, 1918 bis 1933 vollamtlicher Gemeindeammann, 1934 bis 1946 Stadtammann Kreis 10.
Der letzte Gemeindeschreiber stiess erst 1943 dazu:
- Heinrich Rusterholz, 1886–1966, in Höngg aufgewachsen, 1908 bis 1933 Gemeindeschreiber, 1919 bis1933 dazu Sektionschef, 1934 bis1951 städtischer Amtsvormund.
Die Aufnahme in den Kreis der Zürcher Zünfte («ZZZ») erfolgte am 1. März 1934. Pate wurde die Zunft zum Widder, deren damaliger Zunftmeister Hans Hess-Bohny, 1878–1944, in Höngg wohnte. Nach den nötigen Anschaffungen und Vorbereitungen konnte die neu gegründete Zunft Höngg schon am 16. April 1934 im Kreise aller anderen Zünfte ihr erstes Sechseläuten feiern.
Sechseläuten
Jedes Jahr ist das Sechseläuten der Anlass, an dem sich alle Zünfte einem breiten Publikum zeigen, das die beiden Begriffe Zunft und Sechseläuten meist als eine Einheit versteht. Als heute noch einzige Zunft benützen die Höngger zwei Lokale: Das Mittagessen wird in der «Mühlihalde» in Höngg eingenommen, dann findet meistens ein kurzer Zug durch das Dorf statt, vor der Teilnahme am Umzug in der Innenstadt.
Der Musikverein Zürich-Höngg (früher «Eintracht») begleitet die Zunft von Anfang an. Punkt sechs Uhr läuten die Glocken der Kirchen in der Innenstadt, daher der Name «Sechseläuten». In diesem Moment wird der Holzstoss mit dem «Böögg» angezündet und die Reitergruppen der Zünfte reiten um das Feuer. Dann folgt das Nachtessen, 1934 im «Strohhof», 1935 bis 1955 in der «Kaufleuten», 1956 bis 1972 im «Glockenhof» und seit 1973 im Bahnhofbuffet «au premier».
Die Teilnehmerzahl am Sechseläuten blieb bis etwa 1960 unter hundert, stieg dann langsam an und liegt heute mit den Gästen meist über 150. Das Erscheinungsbild der Zunft Höngg war in der ersten Zeit wenig spektakulär: Einer Gruppe von sechs Zünftern in gemieteten Kostümen mit Fahne und Laterne folgten die übrigen Zünfter in Zivil, seit 1935 mit einfachen grünen Mützen.
Weinprobe
Als die Zunft 1973 begann, am Sechseläuten das Nachtessen im Bahnhofbuffet einzunehmen und dort die Besuche der anderen Zünfte zu empfangen, führte sie gleichzeitig einen neuen Anlass ein, um nicht nur an einem einzigen Abend im Jahr in diesen Räumen zu sitzen. Ähnlich dem Nachsechseläuten vieler anderer Zünfte feiern die Höngger seither alljährlich im Frühsommer die Weinprobe. Es war dies viele Jahre ein reiner Männerabend, wie die meisten Veranstaltungen der Zunft.
Der frisch in Flaschen abgezogene neue Jahrgang «Höngger Clevner vom Chillesteig» oder aus der Klingen (also Stadtreben oder Zunftreben) wird vom Stubenmeister präsentiert und vom Zunftmeister feierlich vor der ganzen Gesellschaft auf seine Eigenheiten geprüft und dann (meistens) als trinkbarer Zunftwein für das nächste Jahr deklariert. Zudem wird jedes Jahr irgendeine andere Weinregion in Wort und Bild vorgestellt. Eine Reihe von Weinen aus dieser Gegend wird von der ganzen Tafelrunde degustiert, begleitet von dazu passenden Speisen. Der Abend bietet auch Gelegenheit, Delegationen anderer Zünfte einzuladen, damit der rednerische Genuss nicht zu kurz kommt, das sogenannte «Zunftmeister-Cabaret». Jeder Zünfter kann dazu persönliche Gäste einladen, insbesondere aus anderen Zünften.
Die Firma Zweifel in Höngg feierte 1998 ihr 100-Jahr-Jubiläum und hatte zu diesem Anlass ihren Fasskeller von 1896/1911 zu einem Tagungsraum umgestaltet. In diesen Raum lud sie die Zunft zur Weinprobe ein. Es wurde ein so gelungener Abend, dass man seither bei diesem Lokal blieb. An das Bahnhofbuffet erinnert dabei nur noch die Herkunft des Essens (Catering). Seit 2012 können im Dreijahresturnus auch Frauen an der Weinprobe teilnehmen; schon beim ersten Mal wurde diese Möglichkeit von einem guten Dutzend Frauen genutzt.
Rechenmahl
Interner Hauptanlass der Zunft war von Anfang an und zu allen Zeiten das Rechenmahl in der Mühlihalde an einem Samstag zur Martinizeit (11.11.; in vielen Zünften heisst der entsprechende Abend «Martinimahl»). Von 1934 bis 1964 wurde der Abend um 16 Uhr (oder je nach Traktanden auch etwas früher oder etwas später) eröffnet in der früheren «Haldenstube» mit dem Hauptbott. Dies ist die Generalversammlung der Zunft mit den statutarischen Geschäften: Wahlen, Programmgestaltung, Rechnungswesen, Aufnahmen. Um 19 Uhr begab man sich dann durch die Falttüre in den angrenzenden Saal, wo die Tafel festlich gedeckt war und die Gäste zur Runde stiessen.
Das Bankett wurde und wird aufgelockert durch Reden des Zunftmeisters und der Ehrengäste, Ehrung der Verstorbenen und von zurücktretenden Vorstehern oder jubilierenden Zünftern (z.B. «50 Jahre Zünfter»), Aufnahmen, Musikvorträge und Darbietungen aller Art, z.B. Schnitzelbänke.
Den Abschluss bildete bis 2008 um Mitternacht der feierliche Umgang mit den Laternen, wobei jeder mit jedem anstösst und einige Worte wechselt. Seit 2009 (75-Jahr-Jubiläum) beginnt das Rechenmahl mit Apéro und Umgang im Fasskeller Zweifel, von wo aus dann die Zünfter mit ihren Laternen zur Mülihalde ziehen.
Bei wachsender Zahl der Zünfter wurde der Platz in der Haldenstube immer knapper und der Saal (ohne «Haldenstube») wurde ebenfalls zu klein. Seit 1965 werden deshalb die beiden Anlässe auf zwei Tage verteilt und beide im Saal abgehalten. Zunächst fand das Hauptbott am Vortag des Rechenmahls statt (1965: Freitag 19. und Samstag 20.11.). Dann wurde das Hauptbott etwas früher angesetzt (1966: 4./12.11.) und seit 1978 auf einen Montag einige Wochen vor dem Rechenmahl verlegt.
Reitergruppe
Bei der Feier «1100 Jahre Höngg» von 1958 war die Zunft massgebend beteiligt, und sie stellte insbesondere aus ihren Reihen im Umzug drei Reiter in historischem Gewand (Grossmünster-Propst mit Begleitern). Daraus erwuchs sofort die Idee, auch die Zunft Höngg könnte sich eine Reitergruppe zulegen, wie alle anderen Quartierzünfte.
In der Vorsteherschaft herrschte zunächst Skepsis: «Höngger Rebbauern sind nie geritten !», ein sicher richtiges Argument. Aus ähnlichen Gründen verzichten mehrere Handwerkerzünfte bis heute auf Reitergruppen: «Metzger oder Schuhmacher sind nie geritten !» – im Gegensatz zu Kaufleuten oder Müllern. Die Begeisterung reitender Mitzünfter war grösser als die historischen Bedenken und persönlicher Einsatz Einzelner brachte den Erfolg.
Seit 1960 führt eine stattliche Reitergruppe (meist etwa ein Dutzend) den Sechseläuten-Umzug an, gekleidet in das Kostüm der Höngger Zünfter, nicht in eine historische Kavallerie-Uniform ohne Bezug zum Ort, wie in vielen anderen Zünften. Abweichend sind nur die Stiefel statt der bestrumpften «Wädli».
Das galt sogar 2008 für eine erstmals mitreitende Frau (Zünfter-Tochter), sie trug das Zunftkostüm der Männer, lediglich mit Bluse statt Weste. Anders als in anderen Zünften sind (fast) alle Reiter Zünfter, nicht Mitglieder einer «angemieteten» Reitergesellschaft. Das Reiten im Umzug und insbesondere der Ritt um den brennenden «Böögg» bedingen ein intensives Training, und dieses vereinigt die Reitergruppe zu regelmässigen Stunden in einem Reitstall.
Persönliche Reitpferde einzelner Höngger Reiter bilden die Ausnahme. Die Trainingsstunden werden ergänzt um weitere Aktivitäten, teils im eigenen Kreis (etwa das Nachsechseläuten), teils zusammen mit den Reitergruppen der anderen Zünfte. Turnusgemäss dürfen solche organisiert werden, so 1998 der Sternritt oder 1999 der Reiterball. An allen festlichen Essen der Zunft sitzen die Reiter an einem eigenen Tisch, gekennzeichnet durch den Stiefel-Pokal. So erhielt die Zunft Höngg nach einem Viertel-Jahrhundert Bestand ihre erste interne Gruppe. «Dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich» – nach einem weiteren Viertel-Jahrhundert.
Rebbaugruppe
Als die Firma Zweifel 1986 den Rebberg «in der Klingen» neu anlegte, schenkten die beiden Brüder Hansheiri Zweifel (damals Zunftmeister) und Paul Zweifel der Zunft 130 Rebstöcke (für jeden Zünfter einen, der Bestand an Rebstöcken wurde später verdoppelt). Zu deren Pflege bildete sich sofort eine Gruppe interessierter Zünfter, die das Rebwerk nicht nur symbolisch am Sechseläuten-Umzug zeigen wollten, sondern praktisch ausüben. Einige davon besuchten in der damaligen Ingenieurschule Wädenswil einen Kurs und konnten dann die anderen anleiten. Durch das ganze Jahr fallen immer wieder Arbeiten an. Krönenden Abschluss bildet der Wümmet. Aus dem Ertrag dieser Rebstöcke erhält die Zunft jedes Jahr ein gewisses Quantum Wein, und sie kann daher gelegentlich eigenen Wein trinken.
Seniorengruppe
Als dritte Gruppe innerhalb der Zunft Höngg organisierten sich 1999 die an zusätzlichen Anlässen interessierten Zünfter im AHV-Alter. In einer alljährlichen Programm-Sitzung werden einige Daten, Themen und Organisatoren für Anlässe vereinbart. Es können dies Besichtigungen sein, auch Wanderungen oder Schiff-Fahrten, immer verbunden mit einem Mittagessen. Zu zwei bis drei der jährlich vier bis sechs Veranstaltungen werden auch die Frauen eingeladen sowie die Witwen verstorbener Zünfter, soweit sie an solchen Zusammenkünften interessiert sind. Meist nehmen zwischen zehn und vierzig Personen teil und freuen sich immer wieder über diese Gelegenheiten zur Belehrung und zur Pflege zöiftiger Geselligkeit.
Anlässe mit Frauen
Ein weit verbreitetes Vorurteil besagt, die Zürcher Zünfte seien ein reiner Männerbetrieb und die Frauen seien dabei von jeder Beteiligung völlig ausgeschlossen. Das stimmt in dieser absoluten Form wohl in keiner Zunft und auch in Höngg von Anfang an nicht. Die ersten Bestrebungen galten natürlich der Konsolidierung und allen Erfordernissen, die eine Teilnahme am Sechseläuten bedingte. Schon nach einem Jahr führte man aber erstmals einen Abend durch, zu dem auch Frauen und Töchter eingeladen wurden: «Familienabend» vom 16. Februar 1935 in der Mühlihalde. Darbietungen verschiedener Art, Gesang und Tanz füllten die ganze Nacht und als mitternächtliche Demonstration zeigten die Zünfter einen «Umgang» im Scheine der Laternen. An diesem Abend wurden auch zwei dauerhafte Geschenke überreicht: Der Zunftmeister-Stuhl und das Symbol (Traube).
Dieser «Abendunterhaltung» in damals allgemein üblicher Art folgte im Jahr darauf der erste Ausflug, wiederum in Begleitung von Frauen und Kindern. Er führte am 14. Juni 1936 nach dem Gyrenbad ob Turbenthal. In bunter Folge, je nach jeweiligen Ideen, folgten Jahr um Jahr Ausflüge, Besichtigungen, Vorträge aller Art. Einen festen Platz im jährlichen Veranstaltungskalender fand ab 1947 der Krähahnen auf der «Waid». Einem Vorschlag des damaligen Statthalters Heinrich Grossmann folgend wurde dieser einst in Rebgebieten verbreitete Brauch, den Abschluss des Wümmet zu feiern, neu belebt als herbstlicher Tanzabend.
Dieser fand 2006 ein letztes Mal statt, dann suchte man neue Wege: Im Anschluss an das Jubiläumsfest von 2009 (75 Jahre) bearbeitete eine Arbeitsgruppe das Projekt «Zunft Höngg 2009+». Daraus erwuchsen 2011/2012 eine Revision der Satzungen und ein Drei-Jahres-Turnus für die Anlässe mit Frauen. Als Ersatz für den früheren Krähahnen fand 2013 ein neuer Anlass Aufnahme im Jahresprogramm: Herbstfest, erstmals für 2013 vorgesehen, aber mangels genügender Beteiligung wieder abgesagt. Im Jahr davor, erstmals 2012, dann 2015, 2018, können Frauen zur Weinprobe eingeladen werden. Im Jahr darnach (2014, 2017 usf.) soll am Tage des Rechenmahls ein gemeinsamer Beginn für Männer und Frauen organisiert werden.
Eine 1988 gebildete «Kulturkommission» organisiert seither jährlich, meist in den ersten Wochen des Jahres, einen Abend für Männer und Frauen mit Besuch eines Konzerts, eines Theaters, einer Bibliothek oder eines Museums, womöglich mit einem Blick hinter die Kulissen unter kundiger Führung und mit einer Gelegenheit zu gemütlichem Essen.
Unter Führung der Frau des Zunftmeisters treffen sich die Frauen und Witwen der Zünfter seit 1992 alljährlich zu einem Frauentag, an dem sie unter sich bleiben für irgendeine Besichtigung oder ein Referat mit anschliessendem Essen. Dieses erfolgt oft am Tage des Rechenmahls, wo ja auch die Männer unter sich feiern. Gelegentlich fand auch schon ein gemeinsamer Auftakt statt mit einem Konzert oder Vortrag in der Kirche, worauf sich die Wege von Männern und Frauen trennten; ab 2014 soll das im Drei-Jahres-Turnus die Regel sein.
Ein seit 1991 sporadisch durchgeführter Anlass ist das «Räbluusfäscht». In Erinnerung an die positiven Auswirkungen für den Rebbau bei der Bekämpfung der 1886 in Höngg aufgetauchten Reblaus wird jeweils eines der Altersheime in Höngg besucht. Die Zunft beschert den Pensionären ein Konzert der Zunftmusik, ein Referat und einen «Zabig».
Im Rahmen aller Zürcher Zünfte finden jedes Jahr vor dem Sechseläuten verschiedene Bälle statt, die turnusgemäss von verschiedenen Zünften vorbereitet werden. Der Zunft Höngg fiel das Vergnügen zu, den Sechseläutenball 1996 im Hotel Dolder zu gestalten.
Stamm, Zunftstube und Archiv
Wann der Brauch begonnen hat, dass eine Gruppe von Zünftern sich regelmässig trifft zu einer gemütlichen Runde, findet sich in keiner Aufzeichnung notiert.
Da schon bei der Gründung am 22. Januar 1934 auch der Mühlihalden-Wirt, Jean Hüni, 1877–1958, Zünfter geworden ist, dürfte die Zunft schon bald ein Kämmerlein für ihre Utensilien erhalten haben und bald auch die Erlaubnis, im Sitzungszimmer ihre Bilder aufzuhängen. Seit Jahrzehnten wird dieser Raum «Zunftstube» genannt. Früher befand er sich neben der Küche im Hochparterre, seit dem Umbau von 1993 einen Stock höher.
Hier versammelt sich normalerweise am ersten Montag jedes Monats eine Runde von Zünftern zu Plauderei, gelegentlich auch für ein Referat. Der Zunftstamm wird zweimal jährlich als Kegelabend durchgeführt und einmal zum Backen von Weihnachtsgebäck im nahe gelegenen Hobbyraum eines Zünfters, einer ehemaligen Backstube. In der Zunftstube finden auch Vorsteher-Sitzungen statt, sowie der Apéro für Vorsteher und Ehrengäste am Sechseläuten und am Rechenmahl – und hier hängt seit 1985 auch die Wappentafel der Zunft.
Das Archiv – die Sammlung der Protokolle und Akten der Zunft – wurde 1990 dem Stadtarchiv Zürich als Depositum übergeben (Signatur VII.215).
Kostüm und Attribute
Das Kostüm ist ein wesentliches Merkmal aller Zünfte. Wiederum eine Höngger Besonderheit: Es gibt keine speziell kostümierten Gruppen, etwa die Reiter, sondern ein einheitliches Kleid für alle Zünfter. Die Wehntaler Männertracht aus dem 18. Jahrhundert wurde von Anfang an für die kostümierte Gruppe gewählt und 1948 als offizielles Kostüm bezeichnet als «Modell Kleinjogg». Damit wird erinnert an Jakob Gujer, genannt Kleinjogg, 1716–1785, Musterbauer auf dem Katzenrütihof bei Rümlang, von dem sich in der Höngger Familie Zweifel ein Kleid vererbt hat. In der Folge kauften immer mehr Zünfter ein solches Kostüm.
Die Anschaffung wurde 1972 für alle neu aufgenommenen Zünfter obligatorisch erklärt. Damit wird die Schar der nicht kostümierten Zünfter in Zivil, der sogenannten «Pinguine» (schwarzes Kleid und weisses Hemd) immer kleiner und verschwindet gelegentlich ganz. Anders gekleidet sind Musik und Gesellen. Sie tragen ein Küfergewand. Statt der anfänglich von den Kostümierten getragenen, gemieteten Dreispitze behielten nach dem zweiten Weltkrieg (mit Unterbruch der kostümierten Umzüge) alle Zünfter ihre grünen Mützen, die anfänglich nur für nicht Kostümierte gedacht waren.
Diese Mützen wurden 1992 durch einen stilechteren Hut ersetzt. Dies ist kein Dreispitz, um die Unterscheidung zu den ähnlich gekleideten Riesbächlern besser zu bewahren. Diese hätte sich sonst auf rote (Riesbach) oder weisse Strümpfe beschränkt. Eine Anzahl älterer Zünfter hat die alte Mütze beibehalten, die sich praktisch in die Tasche schieben lässt, was jeweils vor dem Heimweg Suchaktionen in der Garderobe verhütet.
Fahne und grosse Laterne haben die Zunft schon an ihrem ersten Sechseläuten begleitet. Beide zeigen das Wappen der früheren Gemeinde Höngg, ebenso die Abzeichen der Zünfter. Anfangs 1935 wurde der Zunft eine mächtige Traube (aus bemaltem Blech) geschenkt und diese wird seither als «Symbol» bei jedem Umzug von zwei Zünftern mitgetragen. Eine Gruppe zeigt jeweils das historische Rebwerk mit verschiedenen Werkzeugen. Mehrere Wagen im Umzug widmen sich ebenfalls dieser Thematik: Trotte (Spindelpresse), «Räbhüsli» (mit Fahrgelegenheit für Gehbehinderte), früher auch etwa eine Traubenmühle oder ein Sauserfass.
Bei festlichen Essen der Zunft ist der Tisch geziert mit Kannen, Bechern, Kerzenständern, die immer wieder geschenkt worden sind. Der Zunftmeister sitzt seit 1935 auf einem mit Schnitzerei verzierten Stuhl, dem später ähnliche Sitze in einfacherer Form folgten für die übrigen Vorsteher und die Ehrengäste. Seit 1964 trägt der Zunftmeister die damals durch Spenden finanzierte Zunftmeister-Kette.
Schon im ersten Jahr beschafften sich mehrere Zünfter kleine Kerzenlaternen für den Auszug am Sechseläuten-Abend, geschmückt mit dem Höngger Wappen und dem eigenen Familienwappen. Dieses war allerdings in manchen Fällen nicht korrekt gewählt.
Erst nach dem Geschenk einer Wappentafel für die Zunftstube zum 50-Jahr-Jubiläum wurde beschlossen, darin nur geprüfte Wappen aufzunehmen. Darauf hatte die Wappenkommission des ZZZ in rascher Folge gegen hundert Wappen von Höngger Zünftern zu prüfen. Seit 1991 ist jeder neu aufgenommene Zünfter satzungsgemäss verpflichtet, ein Wappen zu führen, sodass mit der Zeit auch in der Wappentafel Vollständigkeit zu erwarten ist.
Aufnahmeverfahren
Nach dem Gründungsjahr pendelte sich der Brauch ein, Aufnahmen neuer Zünfter jeweils am Sechseläuten (bis 1967) und am Rechenmahl (seit 1968 ausschliesslich) vorzunehmen, seit 1943 in feierlichem Zeremoniell. Anfänglich genügte für die Aufnahme das Interesse des Bewerbers. Ein Beschluss von 1956 verlangt Wohnsitz in Höngg von mindestens zehn Jahren, ausser für Söhne von Zünftern. Seit 1963 gilt die Ausnahme auch für Schwiegersöhne von Zünftern.
Interessenten werden seit 1971 von der Vorsteherschaft zu einem Vorstellungsgespräch aufgefordert und dann als «Anwärter» zu allen Veranstaltungen eingeladen, wo sie zwei «Götti» in alle Gepflogenheiten einführen. Als Vorstufe zu den «Anwärtern» wurde 2011 eine neue Kategorie geschaffen: «Interessenten». In den meisten Jahren werden dann je drei bis vier Anwärter dem Bott zur Aufnahme empfohlen. Es gab aber bisher auch schon sieben Jahre ohne eine Aufnahme und zehn Jahre mit einer einzigen Aufnahme, vereinzelt aber auch mehr Aufnahmen pro Jahr. Das Maximum waren 17 Aufnahmen im Jahre 1938.
Söhne von Zünftern (17- bis 28-jährig) und vereinzelt auch andere junge Männer können seit 1970 als «Zunftgesellen» an allen Veranstaltungen teilnehmen. Eine neue Kategorie «Küfergesellen» (14 bis 16 Jahre alt) ergänzt seit 2011 das Angebot. In der anschliessenden Tabelle werden die beiden Arten zusammengefasst als «Gesellen». Sie machen sich mit allerlei Handreichungen nützlich (z.B. Wein einschenken) und lernen den Betrieb kennen.
Zünfter | Gesellen | |
am Gründungstag (22.1.1934) | 47 (43) | |
Ende Gründungsjahr 1934 | 75 (65) | |
nach 10 Jahren (1943) | 92 (81) | |
nach 20 Jahren (1953) | 108 (91) | |
nach 30 Jahren (1964) | 104 (92) | |
nach 40 Jahren (1973) | 116 (?) | 4 (?) |
nach 50 Jahren 1983) | 126 (95) | 12 (?) |
nach 60 Jahren (1993) | 125 (77) | 16 (10) |
nach 70 Jahren (2004) | 122 (68) | 11 (8) |
nach 86 Jahren (2020) | 119 (57) | 17 (5) |
Rodel und Chronik
Das «Mitgliederverzeichnis» der Zunft enthielt in seiner ersten Ausgabe von 1935 nur gerade Namen und Adressen der Zünfter, ab der zweiten Ausgabe von 1941 dazu Geburtsdaten und Aufnahmejahr. Seit 1949 wird der historisierende Titel «Rodel» verwendet und werden die verstorbenen Zünfter in einem Anhang «Zum Gedenken» verzeichnet. Seit 1955 notiert der Rodel auch alle Vorsteher ab Gründung. Von 1967 bis 2005 wurden alle Zünfter, die im Gründungsjahr eingetreten waren (nicht nur die knapp 50 effektiven Gründer vom 22.1.1934) als «Gründer» bezeichnet und durch einen Stern markiert.
Mit Dr. Hans Schütze, 1908–2005, starb der letzte dieser Männer. Ein 1973 bis 1995 verwendetes Ringbuch im Taschenformat (A6) konnte jährlich durch Auswechseln der aktualisierten Blätter à jour gehalten werden. Das war für viele ein kaum zumutbarer Aufwand, weshalb man 1996 wieder zum geschlossenen Heft zurück kehrte, das zunächst jährlich, seit 2007 im Zweijahres-Turnus abgegeben wird, seit 2011 ergänzt um Fotos aller Zünfter und Gesellen.
Als «Chronik» wurde seit der Gründung ein Buch bezeichnet, in das man tagebuchartig alle Anlässe notierte und aus dem 1936/41 gelegentlich vorgelesen wurde, wie man damals immer die Protokolle vorlas. Jahresberichte erstellte der erste Zunftmeister noch nicht. «Chronist» war ex officio der jeweilige Protokollführer. So entstanden vier Bücher für den Zeitraum 1934 bis1982. Nach dem plötzlichen Tod von Albert Kägi, 1918–1988, Protokollführer von 1982 bis 1987, der seinen Chronik-Band noch nicht niedergeschrieben hatte, entschloss man sich zu einer neuen Regelung.
Die fehlenden Jahre 1982 bis 1990 wurden durch einen Chronik-Band 5 gefüllt, der lediglich Jahresberichte, Programme und Zeitungsberichte enthält. Seit 1990/91 wird für jedes Zunftjahr ein gedrucktes Heft an alle Zünfter abgegeben mit Jahresbericht des Zunftmeisters, Berichten über grössere Anlässe (zum Teil aus dem Lokalblatt «Höngger») und Nachrufen mit Bild der verstorbenen Zünfter. Damit wurde das vorher übliche Vorlesen des seit 1947 erstellten Jahresberichts des Zunftmeisters am Hauptbott überflüssig und wird das Werk für die Nachwelt zur Geschichtsquelle; Jahr für Jahr ergänzt und auch publiziert, während die älteren Bände nur in einem Exemplar verfügbar sind.
Die Satzungen von 1991 schufen das Amt des Chronisten, für die ersten zehn Jahre versehen vom «Erfinder» der Neuerung, Georg Sibler (geboren 1929), dann 2001 bis 2005 weitergeführt von Dr. Hans-Peter Stutz (geboren 1953, 2005 bis 2010 Zunftmeister), von 2005 bis 2010 von Max Furrer (geboren 1952) und seit 2011 von Jost Beglinger (geboren 1965).
Literatur
- Kurze Geschichte einer löblichen Gemeinde und Zunft Höngg, verfasst von Emil Rieder (1886–1952, 1934 bis 1945 Zeugwart der Zunft Höngg), Höngg 1935, 24 Seiten, illustriert; auch enthalten in den Zürcher Zunft-Historien von Salomon Friedrich Gyr, zweite erweiterte Auflage 1924, Nachtrag Frühjahr 1936, Seiten 9–18
- Gleicher Titel, Höngg 1944: alter Text Seiten 1–28, dazu: Die Zunft Höngg 1934 bis 1944 (Seiten 29–64) und Biographien der damals 7 verstorbenen Zünfter (mit Bildern)
- 50 Jahre Zunft Höngg 1984, Erinnerungen an das Jubiläumsjahr 1983/84; Berichte aus der Lokalzeitung «Der Höngger», verfasst meist von den Zünftern Albert Kägi (1918–1988) und Georg Sibler (geboren 1929), Ortsgeschichte Höngg von Georg Sibler, Höngg 1998, Seiten 412/413 (mit farbigem Bild vom Sechseläuten 1996)
- Das Zürcher Zunftwesen 1336 bis 2005, von Markus Brühlmeier und Beat Frei, herausgegeben im Auftrag des Zentralkomitees der Zünfte Zürichs (ZZZ), Zürich 2005, 2 Bände, 318 und 344 Seiten; darin in Bd. 2 ab Seite 187 «Der Zuzug aus Stadt und Vorstadt», Höngg erwähnt Seiten 214, 215, 216, 217 und 242 [hier notiert, da kein Register vorhanden]
- Zürcher Zunftmeister von 1798 bis 2007, rund 400 Kurzbiographien, einige tabellarische Übersichten und Namenlisten, von Robert Gubler (1924–2010, Zunftmeister 1971 bis 1981), in Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 2009, Zürich 2008; Separatdruck (mit einigen Zusätzen) herausgegeben von der Zunft Höngg zu ihrem 75-Jahr-Jubiläum
- Chronik der Zunft Höngg, seit 1991 jährlich im Herbst erscheinend, mit Jahresbericht des Zunftmeisters, Berichten über verschiedene Anlässe und Nachrufen für die verstorbenen Zünfter, illustriert.